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Interview: Elektrobusse im Stadtverkehr Uelzen

Emissionsfrei, leise, komfortabel: So sind Fahrgäste voraussichtlich ab September 2022 im gesamten Stadtbusverkehr Uelzen unterwegs. Im Interview geben Jan Hackbarth und Jens Schröder Einblicke in den Planungsprozess mithilfe einer Studie, berichten vom Finden der passenden Flottengröße und einigen Learnings aus der Umsetzung.

Die Hansestadt Uelzen möchte ihren Ausstoß klimaschädlicher Emissionen im Verkehr maßgeblich reduzieren und ihre Mobilitätsangebote zukunftsfähig, bürgernah und umweltfreundlich gestalten. Hierzu wird bis Ende 2022 unter Bürgerbeteiligung ein nachhaltiges Mobilitätskonzept für Uelzen erarbeitet, das als Grundlage für die Entwicklungen der kommenden 15 Jahre dient. Ein Baustein ist dabei die Elektrifizierung des Stadtbusverkehrs, der von den Stadtwerken Uelzen beauftragt und von RBB durchgeführt wird. Jan Hackbarth, Prokurist und Kaufmännischer Leiter der Stadtwerke Uelzen, leitet das Elektrobus-Projekt. Er hat im Vorfeld eine Studie bei Jens Schröder, Leiter des Bereichs eMobility bei MOTEG, in Auftrag gegeben. Im Interview geben Sie Einblicke in das Projekt und seine Umsetzung.

Herr Hackbarth, voraussichtlich ab September 2022 werden Elektrobusse für einen zukunftsweisenden ÖPNV in der Hansestadt Uelzen sorgen. Können Sie die Umstellung kurz skizzieren?

J. H.: Die Stadtwerke Uelzen als kommunales Unternehmen sehen sich verpflichtet, die Klimawende zu fördern und selbst den Wandel in der Region zu gestalten. Wir haben damit sehr früh begonnen und bieten unserer Privatkundschaft und dem Kleingewerbe bereits seit 2008 ausschließlich Ökostrom an, den wir aus TÜV-zertifizierten Wasserkraftanlagen in Österreich beziehen. 2019 haben wir im Stadtgebiet zehn Schnellladesäulen für Elektroautos in Betrieb genommen – und damit frühzeitig einen Anreiz für die Bürgerinnen und Bürger geschaffen, sich ein Elektroauto zu kaufen. Für uns war es deshalb ein logischer Schritt, auch den ÖPNV komplett auf den Elektrobetrieb umzustellen. Wir sparen damit etwa 411 Tonnen CO2 jährlich ein. Die Entscheidung, diesen Schritt zu gehen, ist ebenfalls 2019 gefallen, noch bevor wir eine Förderzusage für dieses Projekt hatten – da wir unseren regionalen Nachhaltigkeitsauftrag konsequent verfolgen und der notwendige politische Wille zum Wandel da ist.

Warum haben Sie zu Beginn des Projekts eine Studie in Auftrag gegeben?

J. H.: Wir wollten nicht nur einen Elektrobus als Leuchtturmprojekt testen, sondern den gesamten Stadtverkehr umstellen. Es war uns daher wichtig, das Thema von allen Seiten zu betrachten, uns Expertise zum Thema Elektromobilität zu holen und damit die Ausschreibung der Fahrzeuge entsprechend gut vorzubereiten. Wir haben also im Januar 2019 das Team um Jens Schröder von MOTEG mit der Studie beauftragt und hatten bereits im Mai die ersten Ergebnisse auf dem Tisch.

Herr Schröder, welche Fragen werden in Ihren Studien beantwortet und inwiefern helfen diese Ihren Kundinnen und Kunden?

J. S.: Wir haben unser Studiendesign um 2013/2014 entwickelt, inklusive einer eigenen Software. Zu diesem Zeitpunkt ging es von Auftraggeberseite noch eher um Machbarkeitsstudien, das ganze Thema Elektrobus wurde von vielen noch belächelt. Das hat sich zum Glück grundlegend geändert! Heute erstellen wir Umsetzungsstudien, so auch für Uelzen. Das war uns aber von Anfang an sehr wichtig: Mit unserem Studiendesign sollen unsere Kundinnen und Kunden klare Handlungsempfehlungen erhalten, einen richtigen Umstellungsplan, um dann die nächsten Schritte in die Umsetzung zu gehen. Wir befassen uns mit dem Einsatzkonzept, mit den benötigten Batteriekapazitäten der Fahrzeuge, mit der notwendigen Ladeinfrastruktur und mit den Fragen, welcher Netzanschluss und welche Ladeleistung genau benötigt werden. Und natürlich gibt es eine detaillierte wirtschaftliche Betrachtung nach dem Prinzip „total cost of ownership“, denn schließlich sind am Ende vor allem die Betriebskosten entscheidend. Zusammengefasst kann man sagen: es geht um technisches und wirtschaftliches Risikomanagement.

Welche unterschiedlichen Einsatzkonzepte gibt es denn überhaupt?

J. S.:  Es gibt viele Wege, den ÖPNV auf Elektrobetrieb umzustellen. Das betrifft zum Beispiel den Ort der Ladeinfrastruktur: E-Busse können als „Nachtlader“ eingesetzt werden, die also über Nacht geladen werden und tagsüber ohne Zwischenladung im Einsatz sind. Oder die Busse fahren als „Gelegenheitslader“. Dafür wird an den Wendestellen die Möglichkeit zum Schnelladen benötigt, sodass z.B. während einer 15-minütigen Pause nachgeladen wird. Dies wird meist über Pantographen gelöst, d.h. es werden dann Busse mit einem Stromabnehmer auf dem Dach benötigt. Eine weitere Einsatzmöglichkeit ist das Prinzip „Depotlader“, wobei die Busse im Tagesverlauf im Depot nachgeladen werden.

Herr Hackbarth, waren Sie von den ersten Ergebnissen der Studie überrascht und wie ging es dann weiter?

J. H.: Nein, wirklich überrascht waren wir nicht. Als Ergebnis kam heraus, dass wir unsere sechs Dieselbusse durch sechs Elektrobusse ersetzen könnten und diese als Gelegenheitslader fahren. Was wir dann gemacht haben, ist die Studienergebnisse aus verschiedenen Blickwinkeln gemeinsam mit Jens Schröder zu diskutieren. Ich hatte dazu Kolleginnen und Kollegen z.B. aus den Bereichen Netze und Marketing eingeladen. Dabei kam heraus, dass eine Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum, insbesondere am neuen ZOB direkt vor dem Rathaus, für uns nicht wünschenswert war: die Optik, benötigte Flächen inmitten einer ohnehin eng bebauten Innenstadt, vor allem aber der nicht abzuschätzende finanzielle Aufwand im Tiefbau für eine neue Trafostation, all das sprach gegen dieses Konzept.

J. S.: Der offene, direkte Austausch war sehr wertvoll. Aus dem Stadtwerke-Team kam dann die Idee, die Flotte auf sieben Fahrzeuge zu erhöhen und sie rollierend einzusetzen. Wir haben uns das also im Rahmen einer Nachuntersuchung noch einmal genau angeschaut und durchgerechnet. Normalerweise sind alle sechs Busse in Uelzen den gesamten Tag über im Einsatz. Mit einem Bus mehr und gleichmäßigeren Umläufen kann tagsüber im Depot nachgeladen werden – ein Gedanke, der Betreibern von Dieselbussen zunächst eher fern liegt, da wird normalerweise nicht frühzeitig nachgetankt. Hier ist also ein Umdenken und eine kleinere Umstrukturierung in den Betriebsabläufen notwendig, die aber am Ende zu einem für alle Seiten zufriedenstellenden Ergebnis in Uelzen führt.

Wie kommt man dann vom Konzept zum Bus?

J. H.: Die Busse wurden im Rahmen einer europäischen Ausschreibung angeschafft. Die Ergebnisse aus der MOTEG-Studie haben uns bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen im Bereich der technischen Parameter wie Batteriekapazität oder Klimatisierung sehr geholfen. Die Ausschreibungsunterlagen haben wir im Team entwickelt und konnten so unsere Qualitätsansprüche und unsere individuellen Anforderungen an die Busse bestmöglich formulieren. Vor der Vergabe haben wir mit den Bietern zusätzlich Gespräche geführt und uns die Angebote genau erklären lassen. Den Auftrag haben wir schließlich an das niederländische Unternehmen VDL Bus & Coach vergeben.

Das Projekt in Uelzen wird gefördert. Welche Learnings haben Sie beim Thema Förderung im Rahmen der Umsetzung gewonnen und was muss sich in diesem Bereich ändern?

J. H.: Wir hätten unseren elektrifizierten Stadtverkehr auch ohne Förderung umgesetzt und freuen uns daher umso mehr über den Fördersatz in Höhe von 90% durch die Investitions- und Förderbank Niedersachsen (NBank). Die Zuwendung wird aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) – Programmgebiet Übergangsregion und aus Mitteln des Landes Niedersachsen zur Verfügung gestellt. Mein wichtigstes Learning dabei und zugleich mein Appell ist, mit den Fördermittelgebern vor Antragstellung ins Gespräch zu gehen! Ich bin mit einer Kollegin nach Hannover zur NBank gefahren und im Dialog haben sich weitere Fördermöglichkeiten ergeben, nämlich für alle sieben Busse, statt der sonst üblichen maximal vier Fahrzeuge.

J. S.: Das Thema Förderung ist sehr komplex, wird aber dringend benötigt. Aktuell sehen wir, dass das Bus-Förderprogramm des Bundesumweltministeriums völlig überzeichnet ist. Da ist auf jeden Fall Handlungsbedarf auf Seiten der Politik. Wichtig ist aber auch, dass die Anträge vereinfacht und in ihrer geforderten Form vereinheitlicht werden. Förderung ist eine faktenbezogene Entscheidung, und das sollte schon in den Antragsformularen erkennbar sein.

Bringt der Einsatz von Elektrobussen mehr Fahrgäste in den ÖPNV?
J. H.: Dass die neuen modernen und umweltfreundlichen Fahrzeuge dazu beitragen, ist unsere Hoffnung – zumindest auf lange Sicht. Derzeit sind die Fahrgastzahlen aufgrund der Pandemie auch in Uelzen gesunken. Es bedarf zudem weiterer Maßnahmen, um die Attraktivität des ÖPNV zu steigern und Anreize zur Nutzung zu schaffen. Moderne und ökologische Fahrzeuge sind da nur ein kleiner Baustein.

Weitere Informationen

Die Stadtwerke Uelzen GmbH ist kommunaler Energieversorger sowie Träger des ÖPNV und des Schwimmbads in Uelzen. Seit 2001 werden sämtliche Aktivitäten unter der Dachmarke mycity gebündelt. Rund 100 Mitarbeitende arbeiten in dem „Lebensqualitätsunternehmen“ Stadtwerke Uelzen, das sich aktiv in zahlreiche Bereiche des regionalen Lebens einbringt.

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Die besten Elektroantriebe für mobile Anwendungen zu bauen, war und ist die Motivation für MOTEG. Das Unternehmen mit Sitz in Handewitt wurde 2014 von dem erfahrenen E-Motorenspezialisten Dr. Siegfried Götz gegründet. Über die Entwicklung und Herstellung von Elektroantrieben hinaus unterstützt MOTEG öffentliche Verkehrsbetriebe bei der Einführung von E-Mobilität in ihrem Fuhrpark mit technischer Beratung, Studien und Mobilitätskonzepten. 

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